Informationen für Betroffene

26.01.2018

Lymphom → Studie! Wenn Ihnen Ihre Onkologin / Ihr Onkologe zur Behandlung Ihrer Lymphomerkrankung eine Studie vorschlägt, ist dies kein schlechtes Zeichen! Es bedeutet, dass an Ihrer aktuellen Situation derzeit geforscht wird. Dabei kann es um die Verwendung neuer Medikamente oder neuer Kombinationen gehen, oder ob wegen Langzeitfolgen eine bisherige Standardtherapie weggelassen werden kann oder um ein neues Verfahren zur Überwachung des Behandlungserfolges. Diese Art Forschung wird vorgängig durch verschiedene Behörden geprüft.

Fortlaufende und strenge Kontrollen sollen die Risiken bei einer Teilnahme möglichst gering halten. Da sich Studien an detaillierte Drehbücher halten müssen, kann es sein, dass vor der definitiven Aufnahme z.B. Ihre Erkrankung im Labor auf bestimmte Eigenschaften hin untersucht werden muss, was in den meisten Fällen das vorgängige Einverständnis der PatientInnen erfordert. Sollte die Studienteilnahme aus formalen Gründen dann doch nicht möglich sein, kann dies von einigen PatientInnen als Enttäuschung wahrgenommen werden. Hier ist, einmal mehr, der gute und offene Austausch zwischen Arzt und Patient gefragt! Der Vorschlag einer Studie erfolgt notwendigerweise oft zeitgleich mit der Diagnose eines Lymphoms oder der Feststellung eines Rückfalls, was einfühlsam zu einer Überforderung führen kann.

Hürden für die klinische Forschung
Von den jährlich 40‘000 neuen Krebserkrankungen machen Lymphome nur 5 % (1‘700 Fälle) aus. Aus Beiträgen in dieser Zeitschrift oder früheren Vorträgen an Patientensymposien dürfte es den Interessierten sehr wohl bekannt sein, dass es fast 100 verschiedene Lymphomerkrankungen gibt, deren Behandlung sich wesentlich unterscheiden kann. In der Schweiz erhalten pro Jahr ~250 Personen die Diagnose eines Hodgkin-Lymphoms, ~80 die eines Mantelzell-Lymphoms und nur durchschnittlich 20 Personen die eines primären Hirnlymphoms.
Die zuvor geschilderte Überforderung der Betroffenen kann sich negativ auf die Rekrutierung auswirken. Zusammen mit der Seltenheit der Lymphome und der Zersiedlung der Medizin bei weitverbreiterter Ablehnung von Zentralisierungsbestrebungen wird die klinische Forschung in unserem Land nicht nur in der Onkologie leider zu einer grossen Herausforderung. Kanadische Krebs-Patientinnen haben Empfehlungen formuliert, um die Teilnahme an klinischen Studien zu verbessern (Jones, J Cancer Educ 2006). Diese umfassen vordringlich die Forderung nach gut zugänglicher Information zu klinischen Studien in verschiedenen Formaten und verständlicher Sprache. Die Information sollte z. B. in einfach auffindbaren Listen auf der Website der Spitäler abrufbar sein. Ein kritischer Blick auf die Websites der drei deutschsprachigen Universitätsspitäler und der wichtigsten Kantonsspitäler der Schweiz zeigt, dass Sie mit wenigen Clicks laufende klinische Studien finden werden. Die Information ist allerdings nur in Ausnahmen auf Deutsch und in einer für Laien verfassten Sprache erstellt. Oft scheint es oder ist gar explizit so auf den Websites deklariert, dass sich die Information an ÄrztInnen richtet. Dies würde den Schluss zulassen, dass Zuweisungen wegen angebotenen Studien erfolgen, was nicht der Schweizer Realität entspricht. Vielmehr machen sich hier, durchaus positiv, Zertifizierungsauflagen bemerkbar. Dass die Studienlisten auch für das eigentliche Zielpublikum, nämlich die PatientInnen zur Verfügung gestellt werden sollten, erfordert ein weiteres Umdenken seitens der Ärzteschaft.

Informationen zu laufenden Studien
Lobenswert übersichtlich und mit verständlichen Zusammenfassungen versehen kann den LeserInnen die Website der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung SAKK empfohlen werden. Unter dem Link http://sakk.ch/de/die-sakk-bietet/unsere-studien/studiensuche/ sind die derzeit laufenden Studien der mit Abstand national wichtigsten Organisation für klinische Krebsforschung aufgeführt. Die Information ist in Deutsch, Französisch und Englisch verfügbar, und richtet sich gleichermassen an Betroffene und Fachpersonen. Es ist auch ersichtlich, an welchen Schweizer Spitälern die einzelnen Studien angeboten werden. Derzeit haben wir 2 Studien für bisher unbehandelte PatientInnen mit follikulären Lymphomen, eine Studie für PatientInnen mit Rückfällen eines Mantelzell-Lymphoms, eine Studie für die Erstbehandlung des fortgeschrittenen Hodgkin-Lymphoms und des primär mediastinalen Lymphoms. Ab Frühjahr 2018 werden Studien zur Ersttherapie des Burkitt- und Mantelzell-Lymphoms, und für Lymphome im zentralen Nervensystem zur Verfügung stehen. Einige dieser Studien sind international, d.h. werden in Zusammenarbeit mit Gruppen im Ausland durchgeführt. So ist z. B. die Zusammenarbeit mit der Deutschen Hodgkin-Gruppe seit Jahren etabliert.

Eine sehr aktive internationale Studiengruppe unter Führung der Tessiner Kollegen ist die „International Extranodal Lymphoma Study Group“, kurz IELSG. Sie hat sich seit Jahren der Erforschung von vergleichsweise seltenen Lymphomerkrankungen wie z. B. dem primären Hirnlymphom oder den Marginalzonen-Lymphomen gewidmet. Informationen, leider nur auf Englisch, finden sich unter http://www.ielsg.org/.

Studiengruppe im benachbarten Ausland umfassen z. B. das „Kompetenznetz Maligne Lymphome“ in Deutschland (http://kml.clinicalsite.org/de), und „Lysa“ in Frankreich  (http://www.lysa-lymphoma.org/en/health-professionals/clinical-trials/mapping-trials/). Wie bei der SAKK richtet sich die Information an Betroffene und Fachpersonen. Es dürfte für einen Laien aber relativ schwierig sein, sich einen Überblick zu verschaffen um z. B. zu sehen, welche Studien offen, und welche schon keine neuen PatientInnen mehr zulassen.
Die bisher genannten Studiengruppen sind akademisch, d.h. die Idee dazu stammt von und wird unter der Leitung von ÄrztInnen an Spitälern durchgeführt. Daneben führt aber auch die Pharmaindustrie klinische Lymphom-Studien in Zusammenarbeit mit einzelnen Spitälern durch. Informationen hiezu finden die LeserInnen auf den Websites der einzelnen Spitäler.

PD Dr. med. Urban Novak
Leitender Arzt Klinik und Poliklinik für Medizinische Onkologie
Inselspital Bern
Präsident SAKK
Projektgruppe Lymphome

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